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Der Mann der mit Einstein Schach spielte
Ein bewegter Lebenslauf eines Vereinsmitgliedes


Klement Tschayka 22.2.1890 - 21.2.1968

Der nachfolgende kurze und dichtgedrängte Lebenslauf könnte Stoff für eine Verfilmung oder einen Roman abgeben. Wir verdanken es den Chronikaufzeichnungen des Herrn Emmerich Schöffer, dem jahrezehntelangen Schriftführer unseres Vereins, dass wir etwas über das bewegte Leben dieses außergewöhnlichen Mannes wissen.

Klement Tschayka war der Sohn einer kinderreichen Kleinbauernfamilie am Stadtrand von Kiew. Er ist schon als zahnjähriger durch besondere Begabung aufgefallen. Durch Vermittlung des orthodoxen Pfarrers kam er in eine Internatschule, wo er so rasche Fortschritte machte, dass er bereits mit 16 Jahren jene Prüfungen ablegen konnte, welche wir mit Matura bezeichnen. Hierauf kam er zur Universität nach Kiew und war dort einer der begeistertsten Schüler des großen Mendelejew, den wir durch das Periodische System der Elemente kennen. Tschayka hatte das große Unglück, als ganz junger Mensch in eine ukrainisch-nationalistische Bewegung hineinzugeraten. Diese strebte die Loslösung von Russland an, sowie die Gründung eines eigenen Staates. Von der Ochrana verhaftet, gelang es Tschayka, auf dem Transport nach Sibirien zu fliehen. Als Matrose auf einem der Schiffe kam er dann auf dem Donauwege herauf und war vor dem 1. Weltkrieg schon in Wien. Durch Vermittlung von Bekannten verschaffte er sich Zutritt zum Wiener-Radium-Institut. Dort schätzte man ihn sehr und forderte ihn auf, er möchte doch versuchen, nach Paris zu Madame Curie zu kommen, weil diese Frau als gebürtige Polin ebenfalls gegen das zaristische Regime in Russland eingestellt war. Sie würde ihm wahrscheinlich helfen können. Nach einer kurzen Zwischenzeit in Düsseldorf kam Tschayka nach Paris und fand im Institut der Curie Gelegenheit, sich weiterzubilden. Es war unmittelbar vor Ausbruch des 1. Weltkrieges. Ein Jahr später hat der Zar allen jenen russischen Emigranten volle Amnestie angeboten, welche sich entschließen, zurückzukehren und ihren Wehrdienst abzuleisten.
Über Schweden kehrte Tschayka nach Russland zurück und trat in das russische Heer ein. Dort brachte er es bis zum Artillerie-Hauptmann. In Galizien geriet er in österreichsiche Gefangenschaft und kam nach Wien.
Der dort lebende Emigrantenkreis setzte sich sehr für Tschayka ein und so kam es, dass das Internationale Rote Kreuz ihn zum Chefdelegierten für die Urkaine einsetzte. In dieser Eigenschaft war Tschayka in den letzten Jahren des 1. Weltkrieges in Genf. 
Nach Kriegsschluß zeigte es sich, dass es jetzt noch viel unmöglicher war, in die Heimat zurückzukehren. Tschayka blieb also in Österreich und konnte anläßlich eines Vortrages Einsteins in Wien Kontakt mit diesem aufnehmen. Dieser Kontakt blieb jahrelang erhalten. Auf Grund verschiedener Zuschriften hat Einstein die erste Version seiner Allgemeinen Rel. Theorie zurückgenommen und sie 2 Jahre später in neuer Form wieder veröffentlicht. Eine dieser Zuschriften war jedenfalls auch von Tschayka. In Wien betrieb er eine kleine Strickerei und hatte einge Kontakte mit Prof. Thomas. Dann bekam er eine Berufung nach Berlin, wo er hin und wieder mit Einstein Schach spielte, diskutierte und bis 1933 in einem Ostforschungsinstitut als geschäftsführender Sekretär sowie in einer Emigranten-Hochschule als Lehrer für Mathematik, Physik und Astronomie wirkte.
Von April 1933 bis 1945 hatte er in der Lobau bei Wien ein Grundstück gepachtet. Er war damals der erste, welcher für den Gemüsebau das bulgarische Bewässerungssystem in Österreich eingeführt hat und bei Eypeltauer u.a. Experten große Beachtung fand. 
Im 2. Weltkrieg war er Betriebsleiter der Tullner Zuckerfabrik, übersiedelte 1945 nach Mitterndorf bei Aussee, wo er in einem Chemiebetrieb und in einer Baumschule der Bundesforstverwaltung beschäftigt war. Hier erwarben er und seine Frau in Kombination mit früheren Dienstzeiten das Anrecht auf eine Alterspension, sodaß beide vor 7 Jahren (1961) nach St.Magdalena bei Urfahr übersiedeln konnten, wo sie eine kleine Wohnung mit Garten, hoch über dem Haselgraben gemietet hatten.
In den letzten Jahren litt Tschayka an den Folgen eines Schlaganfalles und eines Lungenleidens, er hielt jedoch die Kontakte mit Physikern im In- und Ausland noch immer brieflich aufrecht und arbeitete an einer Revision der Theorie der Schwerkraft, kam aber über erste Entwürfe, die er wieder verwarf, nicht mehr hinaus.
Besondere Freude bereiteten ihm die Zusammenkünfte der Linzer Astronomischen Gemeinschaft.
Nach Anhören eines Vortrages innerhalb dieses Vereines am 19. Februar 1963 erlitt er auf dem Heimweg in St.Magdalena einen Schwächeanfall und verstarb am folgenden Tag, den 20. Februar, einen Tag vor seinem 78 Geburtstag, nach kurzem Spitalsaufenthalt in seiner Wohnung.
OAR Emmerich Schöffer als Vertreter der Astronomischen Gemeinschaft und Kammersekretär Erich M. Meixner, ein Jugendfreund des Verstorbenen, haben am 23. Februar an der Beerdigung in St. Magdalena teilgenommen.

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